Teil 23

Die Person in der Baumkrone, das Schicksal des Lada Niva und dem Gernot ihm sein geheimnisvoller Schatulleninhalt.

Während Jolanda all die geschehenen Dinge lediglich mit offenem Mund vollkommen konsterniert zu verfolgen in der Lage war, ließ die Beobachtung der Mimik von Steve und Gernot (bei auch offenen Mündern) immerhin eine gewisse Gewissheit der Umstände erahnen. Im merkwürdig und – alle, die es erlebt haben, werden es nachvollziehen können – surreal idyllisch erscheinenden Auge des Monstersturmes begannen aus der uneinsehbaren Baumkrone die exotischsten Vogelstimmen zu zwitschern und man könnte meinen, dass die eben dort heraus erwachsene Person der Dschungelkönig Ross sein mag. Doch es herrschte nur eine verwirrende Ähnlichkeit des Make-Up vor.
Steve und Gernot hätten nicht im Traum und erst recht nicht im Albtraum daran gedacht, diesem Moment nochmals beiwohnen zu dürfen (oder zu müssen?).
Die kleine Ledertucke (mit ihrer dicken Warze auf der Wange erinnert sie mich an irgendwen... – Anm. d. A.s) kletterte alsbald weiter am mächtigen Stamm des Baumes hoch. Währenddessen züngelte sie zischend irgendwelche Wortformeln, die wohl so etwas wie eine beschwichtigende Wirkung haben sollten. Dieses Unterfangen wurde allerdings flugs unterbrochen, als aus der Baumkrone nicht donnernd, so aber doch ziemlich totalitär die Worte (eindeutig an das Ledermännchen gerichtet) „ich liebe dich nicht!“ mit hallendem Effekt geschmettert wurden.
Mit einer der gigantischen Wurzel fegte der Baum das Ledermännchen weg und ließ ihn durch die Straße fliegen. Es landete kurz hinter unseren drei bislang unbeteiligten Zeugen der Ereignisse, Steve, Gernot und Jolanda, mitten auf dem harten Stahl der Lada-Motorhaube. Die Wucht des Aufpralls ließ den Wagen relativ unbeeindruckt, doch die Stelle, an der die Tucke von der Wurzel berührt wurde, fing schlagartig an in einem Neongelb (mittlerweile sind Neonapplikationen an Kleidung, Schuhen oder Accessoires wieder voll in!) zu leuchten. Es schien sehr schmerzhaft und das Ledermännchengesicht ließ darauf schließen, dass ihm sein Schicksal bewusst war. In gleißendem Licht begann der Körper zu schmelzen und der Lada Niva unter ihm gleich mit.

„Na toll“, dachte Gernot, „wie komm ich da nur wieder raus?“.

Das seltsame Wesen in der Krone des Baumes (vielleicht lief da in der Erziehung etwas falsch?) war augenscheinlich sehr aufgebracht ob des Ledermännchens und die Äste und Zweige züngelten durch die Luft wie Flammen im Fegefeuer. Sollte der Leser sich dieses Bild nicht vorstellen können, so lasse er eine Fettpfanne in Brand geraten und tue alle zwei Sekunden einen gaaanz kleinen Tropfen Wasser hinzu.

Steve blickte zu Gernot: „Ich glaube, wir haben keine andere Wahl und sollten jetzt unbedingt einschreiten, bevor hier noch mehr schief geht.“
Gernot stellte sichtlich erleichtert fest, dass er die Schatulle immer noch in den Händen hielt und sie nicht im Niva hatte liegen lassen. Er nickte Steve zu, der seinen Arm um Jolanda legte und sie einige Schritte mit nach hinten, in vermeintliche Sicherheit zog.

Gernot drehte die Schatulle dem Baum zu und öffnete den Deckel.
War es bis eben (mit wenigen Ausnahmen wie dem Freiflug des Ledermännchens, den Lauten der exotischen Vögel und dem bestimmenden Nichtzuneigungsbekenntnis) im Auge des Sturmes schon ruhig, so setzte nun eine Stille ein, die man nur aus dem Moment kennt, in welchem man mit dem Kopf in der Base eben noch einen mitgekriegt hat und nun, bevor das lebenslange Pfeifen im Ohr einsetzt, erstmal gar nichts hört, was man wiederum als „dumpf“ bezeichnen würde - kann mir einer folgen?

Und nun wirkte es tatsächlich so, als ob alles, was anwesend war (Menschen, ehemalige Menschen, Pflanzen, einfach alles), sich mit der Aufmerksamkeit auf diese kleine unscheinbare Schatulle richtete, aus der eine leise Melodie ertönte...

[weiter mit Teil 24]

 

 

 

Bist Du B.I.S.T. dann bist Du B.I.S.T.

Ein kostenloses Onlinebuch von B.I.S.T.