Teil 19 - von Mr. Blue

Und wieder beginne ich zu rennen und zu rennen. Mein Körper wird in Intervallen von einem Wechselbad der Gefühle gepeinigt. Während ich laufe steigt zunehmend in mir ein Gefühl auf, als würde ich auf einen fulminanten Orgasmus hinarbeiten, bis mir dann kurz vor dem Höhepunkt jemand mit einem rostigen Löffel die Eichel absäbelt. In diesen Momenten bleibe ich abrupt stehen, krümme mich vor Schmerzen und schreie aus voller Brust. Ich würde mir diese Tortur liebend gerne ersparen aber ich spüre, trotz dieser unglaublich ungeilen Augenblicke, dass ich so schnell wie möglich zu Heinz muss. Irgendwie habe ich den Eindruck, die Stimme des merkwürdigen Männchens zu hören, der mir immer sagt:“ Beeile Dich! Rette deinen Freund und bring ihn zum Baum der Erkenntnis!“
Leider trägt dieses mentale Gefasel nicht gerade zur Steigerung meiner Stimmung bei, also schreie ich zwischen zwei Rostlöffelaktionen: „ Halt deine dumme Schnauze und nimm diese verdammten Schmerzen von mir! Ich bin ja auf dem Weg und wäre doppelt so schnell wenn meine Eier nicht so schmerzen würden, Mann!!!“ – Doch leider tut er es nicht und ich beginne zunehmend Hass für meine äußeren Geschlechtsmerkmale zu entwickeln…
Endlich biege ich in den Scheideweg ein, in dem sich die Kimme befindet (der Scheideweg ist paradoxer Weise eine Sackgasse, Anm. d. Red.) und mir gefriert das Blut in den Adern, als ich Joe Jackson eilig aus der Kimme drängen sehe. Er blickt kurz und dümmlich anmutend in der Gegend herum und läuft zu einem in der Nähe geparkten Hummer. Der nächste Schauer durchzuckt mich als ich auf die Uhr sehe und bemerke, dass seit meiner Wutattacke in der Kimme nur wenige Minuten vergangen sind. Ich muss wirklich abgedreht schnell unterwegs gewesen sein und hier stimmt irgendetwas ganz und gar nicht. Zeit und Raum bewegen sich nicht mehr in den mir bekannten Bahnen! Aber zugegebener Maßen war Physik eigentlich noch nie mein Spezialgebiet…! Während ich noch über die Relativitätstheorie und ähnlich Unverständliches sinniere stürmen zwei von Angst gepeinigte Möchtegerndraufgänger wie zuvor Joe Jackson aus der Kimme und rennen, was die Spaddelbeinchen hergeben. Ich bewege mich weiter auf die Kimme zu als die Tür erneut auffliegt und raubtierhaft mein Freund Heinz auf die Straße läuft und beginnt, sich aus dem Staub zu machen. Als ich bei der Kimme ankomme und einen Blick durch die große Scheibe unserer geliebten Spelunke erhasche, wird mir klar, warum Joe so sau blöd geglotzt hat, denn einen mindestens mal ähnlichen Blick habe ich jetzt aufgesetzt.
Im heftigsten Sturm, der unsere Hometown jemals heimgesucht hat bleibe ich wie angewurzelt stehen und muss mir ansehen, was mein bester Freund Heinzer, seines Zeichens deutlich dichter am Weichei oder Feigling einzuordnen als in der Kategorie Alien mit schlechter Laune, auf ziemlich unfeine Art und Weise dem Wirt der Kimme und einer Gruppe verdutzter Maulhelden mit auf die Reise gegeben hat, von der sie auch mit Zeus‘ Hilfe sicher nicht zurückkehren werden und mitten drin eine Ledertucke, die mich aus verliebten Augen anglotzt und winkt. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung Heinzers ob seiner Konsequenz und der Liebe zum Detail sehe ich mir dieses perverse Schlachtfeld an, bis mich wieder eine dieser Rostlöffel… na ihr wisst schon…Aktionen in die Knie zwingt.
Nach einem Zeitraum, der mir wie die Ewigkeit im Reiche von Pinhead vorkommt, springe ich hoch, nehme die Beine in die Hand und sprinte hinter Aggroheinzer her. Wieder bin ich über das Affentempo erstaunt, in dem ich in der Lage bin mich fortzubewegen. „Verdammte Scheiße, Heinzer! Was geht denn mit Dir ab?“, schreie ich dem Neuschlächter in den Nacken, nachdem ich ihn eingeholt habe. Heinzer bleibt wie angewurzelt stehen. Ich tu es ihm gleich. Eine Ewigkeit scheint zu vergehen, bis sich mein Freund in absolutem Zeitlupentempo umdreht. Nach einer knappen Minute hat er sich gänzlich mir zugewendet und hebt langsam den zum Boden geneigten Kopf. Nach und nach sehen mich von unten blutunterlaufene funkelnde Augen an. Sie haben nichts Menschliches mehr und wirken eher wie die Sehorgane einer ausgehungerten Hyäne.
Vorsichtig sage ich: „Heinzer? Was geht hier ab? Und was ist mit Dir passiert?“ Keine Reaktion. „Zusammen werden wir allen Kummer vertreiben! Und komm besser nicht auf die dumme Idee mich anzugreifen, denn ich hab nach der Pulle Bibelfusel auch ganz schön an Knöf zugelegt.“ Irrtümlich gehe ich davon aus, dass ein gängiger Spruch die Situation etwas auflockern könnte. Tut er aber nicht. Bei Heinzer keine Reaktion. Ich gehe langsam auf ihn zu und erzähle ihm dabei ganz ruhig, was mir in den letzten Minuten widerfahren ist.
Plötzlich höre ich ein Geräusch vom Ende der Straße. Ich drehe mich um und sehe, wie Joe Jackson sich mit einem Monstrum von einer Knarre aus seinem Auto auf uns zubewegt.
In diesem Moment beginnt Heinz zu knurren als würde ihm einer abgehen; aber das einzige was abgeht ist er selber …

[weiter mit Teil 20]

 

 

 

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