Teil 12

In der Kimme ist es auf einmal sehr ruhig geworden, zumindest kommt es Heinzer so vor. Er sieht in die weit aufgerissenen Augen seines Kumpels und nimmt vor Schreck den unglaublichen Sturm, der draußen tobt, gar nicht mehr war. „Man siehst Du Scheiße aus, wer oder was ist Dir denn über den Weg gelaufen?“ fragt er und bekommt nur eine sehr leise Antwort: „Keine Ahnung was passiert ist, ich bin nur mal eben auf’s Klo und wollte mich in Ruhe von den letzten Astra trennen, stehe am Pissbecken, Hose auf, Hand rein und…“ „was und?“ fragt Heinzer, dem mittlerweile aufgefallen ist, dass sein Gegenüber irgendwie anders aussieht, als noch vor kurzer Zeit. Irgendwas ist komisch, mal abgesehen von der völlig farblosen Gesichtsfarbe, den unnatürlich weit aufstehenden, rot unterlaufenden Augen und dem entsetzten Gesichtsausdruck. „Mein Schwanz, er ist nicht mehr da!“ „Was?!?“ „Er ist nicht mehr da! Völlig verkümmert, musste ihn suchen! Scheiße, was ist hier los? Pissen muss ich auch nicht mehr! Hilfe, was soll ich denn jetzt tun? Sach was! Hilf mir!“

Was soll Heinzer denn dazu sagen? Mit offenem Mund sitzt er auf dem Barhocker und stiert sein Gegenüber an. „BIST Du Dir ganz sicher? Ich meine, was, wie, geht denn so was?“ „Keine Ahnung, ich fühle mich im Ganzen irgendwie scheiße, schon die ganze Zeit, es wird immer schlimmer und nun auch noch so wat! Ich bin am Arsch!“ Er kratzt sich am Kopf und hat mit einem Mal ein ganzes Bündel seiner Dreadlocks in der Hand. Erschrocken starrt er die Dreads an, dann Heinzer, dann die Dreads, dann wieder Heinzer und stolpert langsam rückwärts, wobei ihm die Dreads aus den Händen fallen und er gegen einen Hünen stolpert der ziemlich angefressen aussieht. „Du Arsch! Pass auf wo Du hinläufst, sonst kannste Dir ruck zuck ne Tracht Prügel einfangen! Ist eh alles Scheiße heute, sieh Dich mal um! Wie Weltuntergang und Du kleiner Pisser hast nichts Besseres zu tun, als hier sinnlos rumzustolpern und Deine scheiß Kifferhaare überall zu verstreu…!“  In diesem Moment landet die erste Faust in seinem breiten Gesicht und einen Wimpernschlag später kommt die zweite hinterher. Ein Trommelfeuer an Faustschlägen landet im Gesicht des Hünen während die Dreads dem Trommler nur so vom Kopf fliegen. So, oder auch nur ähnlich, hat Heinzer seinen Kumpel noch nie gesehen. Der wohl entspannteste Kiffer der nördlichen Hemisphäre bearbeitet gerade das Gesicht eines völlig Fremden, erheblich größeren und ganz sicher stärkeren, so dass man Angst haben muss, dessen Nase gleich an seinem Hinterkopf wieder austreten zu sehen. Nach ein paar Schrecksekunden, während dessen mindestens zehn bis zwölf Fäuste ihr Ziel erreicht haben, der Hüne umgefallen ist und sich verzweifelt aber erfolglos zu wehren versucht, springt Heinzer auf und zerrt seinen Kumpel vom Opfer. „Alltääär, kommst Du noch klar oder was?“ schreit er den immer noch um sich tretenden an, der einen völlig entrückten Gesichtsausdruck angenommen hat „Komm mal runter! Was ist denn mit Dir los? Entspann Dich mal!“ Das hatte ihm noch keiner gesagt. Wäre er vor ein paar Stunden einer solchen Aufforderung nachgekommen, hätte es womöglich dazu geführt, dass er sogar das Atmen eingestellt hätte. Jetzt jedoch macht er eher den Eindruck eines Wahnsinnigen, mit erschreckendem Aggressionspotential. „Ich mach das Arschloch fertig!“ schreit er, während Heinzer ihn rückwärts wegzerrt und aus der Kneipe in den Sturm schleift. Vor nicht mal vierundzwanzig Stunden hatte er einen ähnlichen Job, allerdings hing sein Kumpel ihm da schlaff am Arm und nicht um sich wütend vorm Bauch. Erst im Sturm, als der Regen ihm ins sonderbar bläulich anmutende Gesicht schlägt, hört er auf um sich zu schlagen, sieht Heinzer an und sagt: “was ist bloß los, was, verdammte Scheiße ist mit mir los?“ Heinzer sieht ihm ins Gesicht, das nicht nur aufgrund seiner nicht mehr vorhandenen Haare, völlig verändert aussieht und hebt entkräftet die Schultern: „Ich habe keine Ahnung“. Kaum hat er ausgesprochen läuft sein Kumpel los. ‚Man läuft der schnell’ denkt er sich noch, wischt sich die nassen Haare aus dem Gesicht und starrt auf seine Hand. Zwischen seinen Fingern kleben haufenweise seiner Haare, die vom Regen langsam weggespült werden und er spürt eine undefinierte Wut langsam in sich aufsteigen…

[weiter mit Teil 13]

 

 

 

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